Nico Paech und Manfred Folkers: All you need is less
Wir brauchen eine Suffizienz-Bewegung, eine Kultur des Genug, um unseren selbstzerstörerischen Wachstumspfad zu verlassen. Davon wollen uns der Volkswirt Nico Paech und der Buddhist Manfred Folkers in ihrem Buch „All you need is less“ überzeugen.
Der Corona-Virus hat geschafft, wovon alle Umweltschützer und Klimaaktivisten nur träumen konnten: Den Stillstand des gesamten öffentlichen Lebens und die Unterbrechnung von fast sämtlichen Produktionsketten. Was zur Folge hatte, dass sich unser ökologischer Fußabdruck kurzzeitig auf ein für das Überleben des Planeten erträgliches Maß reduziert hat. Aber leider nur kurzzeitig. Denn um unsere Klimaziele zu erreichen und um nachhaltig zu leben, brauchen wir sehr schnell und vor allem langfristig eine Suffizienz-Bewegung, die sich der Wachstums-Ideologie und dem exponentiellen Konsumverhalten verweigert.
Der Grundgedanke der Suffizienz-Bewegung beruht auf dem Überdenken von Lebensformen und Bedürfnissen in Richtung stärkere Befriedigung von immateriellen Bedürfnissen, mehr Zeit und mehr sozialen Beziehungen. Im Gegenzug soll der materielle Konsum reduziert werden. Ziel ist die Optimierung von Lebensqualität und Zufriedenheit.
Der Buddhist Manfred Folkers sieht in der Suffizienz-Bewegung eine Überwindung von Gier, Hass und Täuschung: „Für viele Menschen mag eine Suffizienz-Bewegung eine quantitative Reduktion bedeuten: Weniger Waren und Wünsche, weniger Nachwuchs, weniger bezahlte Arbeit, weniger (Flug)-Reisen, weniger Mobilität. Quantitativ enthält eine Kultur des Genug jedoch sehr viel mehr Zusammenghörigkeit, Würde, Wohlwollen, Vertrauen, Toleranz, Stille, Sorgfalt, Präsenz, Natürlichlichkeit, Leichtigkeit, Integrität, Humor, Großzügigkeit, Dankbarkeit und Achtsamkeit.“
Der Postwachstumsökonom Nico Paech sieht in der Suffizienz-Bewegung „eine zwanglose Neujustierung individueller Freiheit, wobei sie zwei gegensätzliche Perspektiven einnimmt: Wenn der Planet erstens physisch begrenzt ist, zweitens industrieller Wohlstand nicht von ökologischen Schäden entkoppelt werden kann, drittens die irdischen Lebensgrundlagen dauerhaft erhalten bleiben sollen, muss eine Obergrenze für die von einem einzelnen Individuum in Anspruch genommene materielle Freiheit existieren. Diese kann sich nur an der Gesamtbilanz aller ökologischen Handlungsfolgen bemessen.“
Effizienz (einen höheren Nutzen mit gleichem Aufwand produzieren wie Energiesparlampen) und Konsistenz (in Kreislaufwirtschafen produzieren wie biologisch abbaubare Produkte) stellen durchaus geeignete Ansätze dar, um unsere Gesellschaft etwas nachhaltiger zu gestalten. Um den aktuellen, übermäßigen Ressourcenverbrauch zu beschränken und den menschlichen Einfluss auf die Natur auf ein verträgliches Maß zu reduzieren, müssen diese beiden Strategien um Suffizienz erweitert werden. Eine reine Effizienzstrategie scheitert, wenn ihre Ergebnisse durch den Rebound-Effekt ausgeglichen werden. Auch Ansätze der Konsistenz stoßen an ihre Grenzen, wenn die Nutzung der Natur nicht auf ein verträgliches Maß beschränkt wird.
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere – alte Muster, Denkweisen und Lebensstile aufzugeben braucht Mut und Energie. Insbesondere im privaten Umfeld aber sind Strategien der Suffizienz ein leicht gangbarer Weg, um aus alten Mustern auszubrechen und unser Leben nachhaltiger zu gestalten.
Nico Paech liefert ein Beispiel: „Angenommen, in den nächsten fünf Jahren reduziert die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ihre Erwerbsarbeit auf 20 Wochenstunden und verwendet die frei gewordene Zeit von 20 Stunden darauf, zu reparieren, zu tauschen, immer mehr Dinge selbst herzustellen und anzubauen, nicht mehr zu fliegen, das Auto abzuschaffen, den Fleischkonsum markanz zu reduzieren und sich dem Digitalisierungswahn zu verweigern. Dann würde der Krise die Basis entzogen, weil diese Menschen schon so leben würden, wie es nötig wäre, um in einer Rezession würdig zu existieren.“
Die gegenwärtige Wirtschaftskrise sieht der Volkswirt durchaus als Chance, aus einer selbstzerstörerischen Wachstumsideologie auszusteigen und dabei noch so etwas wie Kraft und Stärke zu gewinnen, was auch in der modernen Resilienzforschung ihren Niederschlag findet: „Resilienz beruht auf Genügsamkeit, Sesshaftigkeit, gemeinschaftlicher Subsistenz, Güterteilung, Regionalökonomie, einfachen Techniken, starker Arbeitszeitverkürzung, Rückkehr zu handwerklichen Tätigkeiten sowie einer Reparaturkultur, die wichtiger ist als die Produktion neuer Waren.“
Die Politik ist laut Paech denkbar schlecht dazu geeignet, Suffizienz-Bewegungen zu initiieren. Wie solche heute noch nicht mehrheitsfähigen Handlungsweisen sich verbreiten können, dazu liefere die Diffusionsforschung aufschlussreiche Erkenntnissse: „Um gesellschaftliche Resonanz für eine suffiziente Transformation zu erreichen, bedarf es eines hinreichenden Grades an Selbsttransformation. Diese kann nur von Pionieren, funktionalen Eliten oder einer Suffizienzavantgarde eingeleitet werden, wie sie beispielsweise die Ökodörfer darstellen.“
Nico Paech und Manfred Folkers: All you need is less, eine Kultur des Genug aus ökologischer und buddhistischer Sicht, oekom 2020, 256 Seiten, 20 €