Ulrike Hermann: Das Ende des Kapitalismus
Der Kapitalismus zerstört unsere Lebensgrundlagen. In dem Buch Das Ende des Kapitalismus beschreibt Wirtschaftsjournalistin Ulrike Hermann, was danach kommen könnte.
Der Kapitalismus habe keine Zukunft, denn Wirtschaftswachstum und Klimaschutz schlössen einander aus, schreibt die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Hermann in ihrem neuen Buch Das Ende des Kapitalismus: „Der Kapitalismus […] erzeugt nicht nur Wachstum, sondern muss auch wachsen, um stabil zu sein. Ohne ständige Expansion bricht der Kapitalismus zusammen. In einer endlichen Welt kann man aber nicht unendlich wachsen.“
Klimaschutz bedeutet Ressourcen schonen. Kapitalismus ohne Wachstum und Verbrauch von Ressourcen sei aber unmöglich. Das ist Ulrike Herrmanns zentrale These in dem Buch Das Ende des Kapitalismus. Die taz-Journalistin glaubt nicht an die Annahme vieler Volkswirte und Politiker, dass es grünes Wachstum geben kann. Sie begründet ihre These damit, dass die erneuerbare Energie dafür in absehbarer Zeit nicht ausreichen wird:
„Diese Aussage mag zunächst überraschen, schließlich schickt die Sonne 5.000-mal mehr Energie zur Erde, als die acht Milliarden Menschen benötigen würden, wenn sie alle den Lebensstandard der Europäer genießen könnten. […] Solarpaneele und Windräder liefern jedoch nur Strom, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Um für Flauten und Dunkelheit vorzusorgen, muss Energie gespeichert werden – und dieser Zwischenschritt ist so aufwendig, dass Ökostrom knapp bleiben wird.“
Die Autorin gibt sich große Mühe, keine generelle Kapitalismuskritik zu betreiben. Im ersten Kapitel beschreibt sie detailliert die Vorteile des Kapitalismus. Er habe den Menschen mehr Komfort, Gesundheit und Freiheit beschert: „Der materielle Wohlstand hat immaterielle Folgen. Nicht nur die Lebenserwartung hat sich verdoppelt; auch allgemeine Bildung, Gleichberechtigung und Demokratie werden erst möglich, wenn eine Gesellschaft reicher wird.“
Allerdings sei der Wohlstand mit fossiler Energie, also auf Kosten der Vergangenheit erkauft worden. Das stoße nun an Grenzen. Sie erläutert, warum es zu aufwändig sei, Treibhausgase aus der Atmosphäre zu filtern und warum sich Wachstum und Energieverbrauch nicht entkoppeln ließen. Der technologische Fortschritt biete da keine Rettung: „Auf die Technik ist kein absoluter Verlass. Mal gelingt es nicht, gute Lösungen zu finden – mal bleiben Erfindungen teuer, obwohl sie seit Jahrtausenden im Einsatz sind. […] Vor allem aber werden die Zeitebenen verwechselt. Die lustigen Anekdoten sollen nahelegen, dass die technologische Zukunft immer besser war als gedacht. Das mag sein. Nur fehlt heute die Zeit, um auf eventuelle Durchbrüche zu warten.“
Ulrike Herrmann ist überzeugt, dass sich die Gesellschaft auf ein grünes Schrumpfen einstellen muss. Es müsse weniger Autos, weniger Flüge und weniger Wohnungen geben, schreibt sie. Und das ermögliche trotzdem ein gutes Leben: „Die Wachstumskritiker haben klar gezeigt, dass klimaneutrales Leben auch schön sein kann. Das ungelöste Problem ist allein, wie sich diese ökologische Kreislaufwirtschaft erreichen lässt, ohne unterwegs eine schwere Wirtschaftskrise zu provozieren, die die Bevölkerung in Panik versetzt und einen Diktator an die Macht bringt.“
Als Lösung für diesen Übergang vom Kapitalismus zur privatwirtschaftlichen Planwirtschaft schlägt die Autorin die britische Kriegswirtschaft ab 1939 vor. Damals teilte die britische Regierung privaten Unternehmen Rohstoffe, Kredite und Arbeitskräfte zu. Jeder Einwohner bekam eine feste Menge an Lebensmitteln. Luxusgüter wie Möbel oder Kleidung konnten über ein persönliches Punktebudget bezahlt werden. Ein geordneter, sozial gerechter Rückbau, der in der britischen Bevölkerung gut ankam und nicht zu einer Hungersnot führte, erklärt die Autorin.
„Der Konsum fiel damals um ein Drittel – und zwar in kürzester Zeit. […] Der deutsche Verbrauch muss ähnlich drastisch sinken, wenn das Klima gerettet werden soll.“ Ulrike Herrmanns Fokus auf Großbritanniens Kriegswirtschaft hat drei Gründe: „Erstens: Die Briten lebten in einer Demokratie. […] Zweitens: Die Briten führten keinen Angriffskrieg […]. Sie befanden sich in einer unfreiwilligen Notsituation, die zudem verspätet erkannt wurde. Drittens: Die Briten mussten ihre normale Wirtschaft in kürzester Zeit stark herunterfahren, […] um Militärgüter herzustellen. Von den Briten lässt sich also lernen, wie sich eine schrumpfende Wirtschaft organisieren lässt.“
Um mit einem blauen Auge aus der Klimakrise herauszukommen, brauchen wir also eine ökologische Kreislaufwirtschaft, in der die Menschen nur so viel verbrauchen, wie sich recyceln lässt. Produktion und Konsum müssen um 30 Prozent sinken, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Vorbild dafür könnte die britische Kriegswirtschaft von 1941 sein. Fast über Nacht entstand eine Planwirtschaft, die bemerkenswert gut funktionierte. Die Fabriken blieben in privater Hand, aber der Staat steuerte die Produktion – und organisierte die Verteilung der knappen Güter. Es wurde rationiert, aber es gab keinen Mangel.
Ulrike Herrmann: „Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden“, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 341 Seiten, 24 Euro.